RIEDSTADT/HOCKENHEIM – Die Ohrstöpsel fehlen. Also sprintet Papa von der Startaufstellung zur Box und zurück, schaut mal kurz streng und übergibt dem vergesslichen Sohnemann das wichtige Rennutensil. Da ist er kurz mal wieder „der Kleine“, der Schlaks, der kurz danach seinen fast zwei Meter langen Körper in seinen Renn-Mini biegt – und eine gute halbe Stunde später ganz oben auf dem Siegerpodium steht.
„Einen besseren Saisonstart kann ich mir nicht vorstellen“, sagt der 19 Jahre alte Riedstädter, nachdem er aus seinem „grünen Monster“ gestiegen ist. Leicht zu erkennen im Feld der DMV BMW- Challenge. Wegen der Lackierung, aber auch der einzigartigen Form. Denn rund um den Mini tummeln sich BMW aller Leistungsklassen. „Ich denke, dass die teilweise über 500 PS haben. Wir mit unseren 300 und ein paar zerquetschten PS sind da etwas kleinlaut, dafür haben wir in den Kurven etwas weniger Gewicht zu schleppen“, erklärt Koch, der sich gerade auf den langen Geraden des Hockenheimrings den Angriffen der PS erwehren muss.
Das gelingt im ersten Rennen bestens mit Klassensieg und Gesamtplatz zwei unter 40 Autos. Im zweiten Rennen wird es Platz zwei in der Klasse und Gesamtrang sechs. „Ich wollte eigentlich das Ergebnis des ersten Laufs wiederholen, was leider am Ende nicht möglich war. Auf der langen Parabolika fahren mir die ‚Dickschiffe‘ einfach auf und davon. Im Motodrom kann ich dann zwar wieder etwas Boden gutmachen, aber der Hockenheimring ist eben nicht die optimale Rennstrecke für den Mini“, sagt Koch, ohne dabei unzufrieden zu sein.
Unter der badischen Sonne freuen sich auch die Eltern darüber, dass mal wieder ein Renntag erfolgreich und vor allem unfallfrei über die Bühne ging. Aufregung gehört trotz der vielen Jahre im Motorsport immer noch dazu. „Die Mama wegen dem Kind“, sagt Ulrike Koch. „Der Papa wegen der Rechnung im Falle des Falles“, schiebt Bernd Koch lächelnd nach. Schließlich stecken einige Zehntausend Euro in dem Mini, der beim Team Schirra Motoring aufgebaut wurde. Nach dem Umstieg vom Kart- in den Tourenwagensport 2018 betreute der erfahrene Griesheimer Rennstall das Auto auch noch, mittlerweile haben die Kochs das Auto gekauft, wobei Schirra-Mechaniker weiter zum Serviceteam gehören.
„Wir haben hier ein bunt gemischtes Starterfeld. Von den Jungs, bei denen Papa und Mama bezahlen, bis zu älteren Herren mit gewissem Grundeinkommen“, sagt Thomas Röpke, der die BMW-Challenge zur Serienreife gebracht hat. Weil er 2012 zu seinem 50. Geburtstag eigentlich nur nochmals ein Rennen fahren wollte. „Dann habe ich das übernommen als schöne neue Herausforderung. Ich habe alle Freunde angerufen, mit denen ich früher gefahren bin. Viele haben ihren BMW wieder aus dem Regal geholt und dann sind wir Jahr für Jahr immer mehr geworden.“
Selbst 16-Jährige ohne Führerschein sammeln hier erste Erfahrungen auf der Rundstrecke. Jungs wie Niklas Koch, der nun im vierten Jahr in der Serie fährt. Sehr zur Freude von Thomas Röpke: „Niklas ist immer perfekt vorbereitet, trainiert fleißig, auch sein Vater als sein Manager tritt immer korrekt und freundlich auf. Das sind sehr faire Sportkameraden. Wir sind sehr stolz darauf, dass die bei uns mit dem Mini Flagge zeigen“.
Dass auf dem Hockenheimring drei Tage lang Hochbetrieb mit mehreren Rennserien herrschte, während anderer Sport von Corona ausgebremst ist, erklärt Röpke so: „Wir haben die Genehmigung erkämpft, in dem wir klargestellt haben, dass wir einen Sport betreiben im Freien, alleine im Auto sitzen, Abstände einhalten und die Flächen großzügig einteilen. Und wir sind als DMV-Rennserie die Spitze des Automobilrennsports und erfüllen somit die Kriterien des Spitzensports.“ Eine Regelung mit offensichtlichem Ermessensspielraum, sind doch fast alle Piloten Amateursportler, die ihr teures Hobby selbst finanzieren.
Niklas Koch kann sich auf treue Sponsoren verlassen, mit denen er gerne auch mal in höhere Leistungsklassen aufsteigen würde. Womit sich das Budget aber schnell vermehrfacht. Für 2021 hofft er erst einmal, dass alle Rennen über die Bühne gehen können. Vor den nächsten Läufen in Oschersleben (8. Mai) steht noch der Saisonauftakt im ADAC SimRacing Cup an. Am Rennsimulator im heimischen Zimmer. Virtuell, aber mit dem großen Vorteil: Der Kopfhörer ist immer in greifbarer Nähe.

Quelle: Darmstädter ECHO und Groß-Gerauer ECHO vom 31. März 2021