RIEDSTADT – Silverstone liegt im südhessischen Ried, Monte Carlo auch, Nordschleife und Hockenheimring sowieso. Zumindest zeitweise. Nämlich immer dann, wenn Niklas Koch Gas gibt – in seinem Jugendzimmer. Dort steht eine High-Tech-Installation mit vier mächtigen Bildschirmen, Fahrersitz und Lenkrad, einem wassergekühlten PC und einiges mehr an Technik. Eine Videospiel-Landschaft also, wie sie für 19 Jahre junge Männer nichts Ungewöhnliches ist.
Kein Spiel – es geht um professionellen Motorsport
Aber hier geht es nicht um Spielereien im Mario-Kart-Stil, hier geht es um professionellen Motorsport. „Das ist eine super Alternative, um auch Geld sparen zu können“, sagt Niklas Koch. Was erst einmal verwunderlich klingt, stecken doch knapp 20 000 Euro in seinem privaten Rennsimulator. „Aber man kann hier wirklich auch Testtage absolvieren und Strecken lernen.“ Was ihm schon half, als er noch weit vom aktuellen Stand seines heimischen Cockpits entfernt und auf dem Sprung vom Kart- in den Rundstreckensport war. „Bei meinem ersten Rennen auf dem Nürburgring war ich 16 und hatte nicht mal einen Führerschein“, erinnert sich Koch an den persönlichen Aha-Effekt: „Aber ich wusste sofort, was Sache ist, kannte sämtliche Bremspunkte, allein die Streckenführung hilft enorm.“
Was er also zu Hause virtuell gelernt hatte, konnte er sofort auf der realen Strecke umsetzen. „Man kann sofort mit dem Setup des Autos beginnen, wenn man die Fahrpraxis hat auf der Strecke.“ Also steuerte er als Rundstrecken-Rookie den Renn-Mini des Griesheimer Schirra-Teams zu teaminternen Bestzeiten. Mittlerweile ist er damit zu Klassensiegen in der DMV BMW-Challenge gefahren und mischt mit seinem eigentlich technisch unterlegenen „kleinen grünen Monster“ auch in der Gesamtwertung vorne mit. Für weitere Fortschritte auf dem motorsportlichen Weg, den 230 Pokale auf den Regalen als Leistungsnachweis säumen, wurde im Hause Koch in diesem Winter kräftig investiert. „Vor Corona habe ich die Geschichte belächelt und gesagt: Das ist ein Spiel“, gibt Vater Bernd Koch zu, der seit vielen Jahren auch in der Nachwuchsarbeit des Starkenburger AMC aktiv ist: „Wenn ich aber sehe, wie professionell das mittlerweile betrieben wird, auch von den Werken, dann habe ich meine Meinung um 180 Grad gedreht.“
Sagt es und geht einen Stock tiefer, um auf dem Fernseher im Wohnzimmer das Rennen zu verfolgen. Denn der Sohnemann steht an der Startlinie von Zolder, und Youtube überträgt live mit zwei Kommentatoren. E-Racing hat in der Krise einen enormen Schub erhalten. Natürlich dient der Rennsimulator der fahrerischen Weiterentwicklung, aber wie in allen Sportarten ist Wettkampf das beste Training. Niklas Koch startet im ADAC SimRacing-Cup. Zandvoort, Imola, Nürburgring und Zolder sind die Stationen der Premierensaison. Alles ohne Reisekosten, schließlich fährt Koch die Rennen im heimischen Erfelden.
Alles virtuell, aber alles wie im richtigen Rennleben: Fahrerbesprechung, Freies Training, Qualifying – streng nach Zeitplan. 29 Fahrer messen sich in seiner Klasse. Koch kämpft sich nach Bestzeit im Freien Training, aber eher mäßigem Qualifying nach brillantem Start und souveränem Rennen bis auf Platz drei vor. Ein kräftiges „Yes“ begleitet die Fahrt über die Ziellinie. Doch ein kleines Textfeld auf einem der drei 49-Zoll-Bildschrime sorgt für Ernüchterung. Nachträgliche Durchfahrtstrafe – und der erste Podiumsplatz der Saison ist wieder futsch. An einem Gerangel in einer Schikane wird ihm die Schuld gegeben. Kurzer Einspruch bei der Rennleitung, die mit freundlicher, aber bestimmter Erklärung bei ihrer Entscheidung bleibt.
„That’s racing“ wie der Motorsportler sagt. Auch im digitalen Leben, wo man wirklich zweimal auf die großen Bildschirme schauen muss, um die Rennautos als PS-Avatare zu erkennen. „Alles ist lasergescannt, auch die Strecken. Jede Bodenwelle, jede Unebenheit ist wie in echt, damit sich ein perfektes Fahrgefühl generieren kannst.“ Was sogar in den Fahrersitz übertragen wird, der während des Renneinsatzes knarzend mitarbeitet. Führen Feindberührungen zu Schäden, leiden Aerodynamik – und Rundenzeiten.
Wie im echten Rennfahrerleben kann Koch auch am Setup arbeiten. Reifendruck, Federhärte, Tankinhalt, Neigung des Heckflügels – nur eine kleine Auswahl aus dem Angebot der Software. Wobei in seiner Simracing-Klasse die Einstellmöglichkeiten begrenzt sind – zwecks Chancengleichheit. „Wenn da echte Software-Spezialisten drangehen, kannst du zwei Sekunden pro Runde rausholen“, sagt Koch. Weshalb auch im digitalen Motorsportleben die echten PS-Stars meist das Nachsehen haben. Namen wie Timo Glock, Bruno Spengler oder René Rast stehen oft in den Startlisten. Der dreifache deutsche Rallyemeister und ausgewiesene Kart-Spezialist Fabian Kreim (Fränkisch-Crumbach) holte sich in einer vorgeschalteten Qualifikation gerade so den letzten Startplatz in der Liga 1 des ADAC SimRacing-Cups, wo er schließlich auf Rang 24 der Gesamtwertung fuhr.
Niklas Koch wurde Gesamtneunter der Liga 2 und freut sich schon auf die Sommerserie, die es wegen der wachsenden Popularität geben wird. Nach Oulton Park in England, Imola, Nürburgring und Zandvoort wird das Finale auf dem Hockenheimring gefahren. Niklas Koch sehnt einen anderen Einsatz in dem badischen Motodrom aber noch viel mehr herbei – Ende März als Saisonstart in seinem realen Rennauto.