Riedstadt (red). Manchmal kommt es anders als man zuerst gedacht hatte. So erging es im abgelaufenen Jahr auch dem Riedstädter Nachwuchstalent Niklas Koch. Dank der Anfang 2020 durch Ingo Gläsmann (Gläsmann Baumaschinen) und Bernd Kramer (Baustoff Kramer) neu gegründeten Niklas Koch Motorsport KG, wollte Niklas mit einem eigenen Renn-Mini in der DMV BMW Challenge um die Meisterschaft kämpfen. Doch als die Saison Ende März auf dem Hockenheimring hätte beginnen sollen, fiel Deutschland in den ersten Lockdown. Alle Rennen im ersten Halbjahr wurden abgesagt. Ob und wann die Saison 2020 losgeht, war zweifelhaft. Wie sollte Niklas nun fit bleiben, um bei einem Meisterschaftsbeginn gleich konkurrenzfähig zu sein? Gemeinsam mit den beiden Investoren Gläsmann und Kramer kam man zu dem Schluss, dass ein Rennsimulator, wie er seit Jahren auch schon von Werksfahrern der großen Automobilkonzerne genutzt wird, die Lösung sein kann. So wurde neben dem Renn-Mini von „Schirra Motoring“ auch noch ein solcher Simulator angeschafft, der bei Niklas zu Hause in seinem Zimmer steht. Was für Außenstehende wie ein Computerspiel aussehen mag, ist in Wirklichkeit ein Hightech-Sportgerät. Insgesamt vier Monitore umgeben den Fahrerplatz.

„Drei gebogene 49“- Bildschirme simulieren die Rundumsicht aus dem Rennwagen, der vierte zeigt die Telemetrie des Wagens an. „Genau wie im echten Rennwagen gilt es, Öl- und Wassertemperatur, Reifendruck etc. immer Blick zu haben“, erklärt Niklas. „Der Rennsitz ist auf einer sogenannten Motion-Plattform installiert. So werden die Kipp- und Neigbewegungen sowie sämtliche Bodenwellen und Unebenheiten des Fahrzeugs real nachempfunden. Ermöglicht wird dies, indem die realen Rennstrecken zuvor laser-gescannt und so in die Simulation integriert wurden“, ergänzt der 19-jährige weiter. Um zu zeigen, wie real so ein Simulator sein kann, schildert Vater und Manager Bernd Koch eine Anekdote über einen Elfjährigen, der am Simulator virtuell in die Boxenmauer eingeschlagen ist. Da der Junge das Lenkrad beim Einschlag in die virtuelle Wand nicht losgelassen hat, wie man es in einem echten Rennen bei einem bevorstehenden Einschlag tun würde, brach sich der Junge die Hand, denn die Lenkkräfte an dem Simulator werden durch einen Elektromotor generiert, welcher bis zu 20 Newtonmeter Lenkkräfte aufbauen kann. Durch dieses System erhält Niklas optimal sämtliche Rückmeldungen der Vorderachse und kann entsprechend das Fahrzeug nach seinem Fahrstil abstimmen. Auch die Pedalerie mit Gas, Bremse und Kupplung ist einem echten Rennwagen nachempfunden. Mit der Schaltbox kann Niklas wählen, ob er klassisch mit einer H-Schaltung oder einem sequenziellen Getriebe unterwegs sein möchte – je nachdem welches Fahrzeug er gerade fährt.

Autohersteller wie etwa BMW haben mit ihren unter Vertrag stehenden Profipiloten zusammen mit den Softwareentwicklern das Fahrverhalten eines BMW M4 DTM zwei Tage auf dem Hockenheimring so abgestimmt, damit sich der virtuelle BMW M4 auf jedem Streckenabschnitt genauso verhält, wie es der echte Rennwagen mit über 600 PS auch tun würde. „Damit man das ganze Potential eines solchen Simulators auch nutzen kann, musste auch ein neuer Rechner her“, fährt Niklas fort. „Mein alter PC war zwar nicht schlecht, doch um alle vier Monitore optimal nutzen zu können, sowie auch die Peripherie, was das Abstimmen der Rennautos betrifft, ist eine große Rechenleistung von Nöten. Für den neuen Computer wurden absolute High-End-Teile im Internet bei unterschiedlichsten Anbietern gekauft. Unter anderem eine Wasserkühlung, da diese leistungsstarken Komponenten eine enorme Hitze entwickeln. Den Rechner habe, ich abgesehen von ein paar Tipps von Freunden, mehr oder weniger allein zusammengebaut und installiert. Kurz vor Weihnachten kamen die letzten Teile, so konnte ich über die Weihnachtsfeiertage nun mit dem ganzen Potential des Simulators trainieren und die Fahrzeuge nach meinem Fahrstil abstimmen.“

„Eine 100 MBit-Leitung war auch von Nöten“, fügt Vater Koch augenzwinkernd hinzu. „Wir haben deshalb sogar unseren Internetanbieter gewechselt.“ SimRacing, so der offizielle Name dieses E-Sports, wurde nun auch vom ADAC entdeckt. So feierte im November letzten Jahres der ADAC SimRacing Cup Premiere. Hier treten pro Rennen 30 Rennfahrer aus ganz Deutschland auf den unterschiedlichsten Rennstrecken gegeneinander an. Los ging es auf der Strecke in Zandvoort, obwohl jeder Fahrer zu Hause an seinem Simulator sitzt. Die Rennen werden auf YouTube live übertragen. Die Kommentatoren sind die gleichen wie bei echten Rennveranstaltungen, genauso wie die Rennkommissare. Kollisionen können von den Kommissaren aus unterschiedlichsten Blickwinkeln in der Wiederholung angeschaut werden und entsprechend fallen dann auch die Strafen aus. Boxendurchfahrt oder eine Stopp-and-Go-Strafe kennt man ja schließlich auch aus der Formel Eins oder DTM. Am 13. Januar findet der letzte Lauf des ersten ADAC SimRacing Cups auf der Strecke im belgischen Zolder statt. Niklas, der beim letzten Lauf am Nürburgring dreimal von seinen Gegnern in die virtuelle Wiese geschickt wurde, liegt momentan auf dem achten Platz der Meisterschaft, doch mit dem neuen Rechner erhofft sich Niklas, noch ein paar Plätze gutzumachen und unter die Top-Five zu fahren.

Der Beginn der neuen Saison im echten Renn-Mini ist für Ende März ebenfalls wieder auf dem Hockenheimring geplant. Ob Corona-bedingt der Saisonauftakt dort wirklich schon stattfindet, darf aktuell bezweifelt werden. Jedenfalls kann sich Niklas mit seinem Simulator auf den Hockenheimring schon einmal vorbereiten. Denn obwohl so ein Simulator nicht billig ist, ist es auf Dauer doch günstiger, virtuelle Testfahrten auf den unterschiedlichsten Rennstrecken vorzunehmen, als mit dem realen Rennwagen zu den Rennstrecken zu reisen. „Es gibt keine Sparte im E-Sport, die am realen Sport so nah dran ist wie im Motorsport“, schließt Niklas ab. „Trotzdem freue ich mich darauf, wieder im richtigen Rennauto Gas zu geben, denn es macht schon einen Unterschied, ob ich mit 240 km/h auf eine virtuelle oder eine reale Kurve zufahre. Erst recht, wenn sich ein Gegner in unmittelbarer Nähe befindet,“ grinst der gebürtige Crumstädter.

Passend zum neuen Jahr wird auch Niklas‘ überarbeitete Website niklas-koch.de freigeschaltet. „Nach nunmehr acht Jahren, als ich mit zwölf im Kart mit dem Rennsport begann, war das nun auch überfällig. Danke an meinen Sponsor, der hier einen tollen Job gemacht hat und nochmals tausend Dank an alle meine Sponsoren, die mir trotz der andauernden Corona-Krise in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation weiterhin die Treue halten und an mich und mein Talent glauben, denn ohne sie, wäre dies alles gar nicht möglich“, bedankt sich der vom ADAC Hessen-Thüringen geförderte Nachwuchsfahrer.


Quelle: Ried-Information vom 06. Januar 2021 - Seite 3